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Urbane Bienenhaltung: Summen in the City

Ob Nisthilfe, Bienenhotel oder Blühstreifen: Bienenschutz liegt voll im Trend. Etliche Stadtmenschen halten inzwischen sogar Bienenvölker auf ihrem Balkon. Doch damit das Engagement auch eine positive Wirkung entfalten kann, ist einiges zu beachten.
Biene am Eingang zum Bienenhotel
Wer in seinem Garten ein Bienenhotel aufstellen möchte, sollte sich an genaue Bauregeln halten. Ist es schlecht konstruiert, wird es zur Gefahrenquelle für die fleißigen Insekten. Außerdem profitieren Wildbienen so gut wie nicht davon. Eine der wenigen Ausnahmen ist diese Rostrote Mauerbiene.

Unter den Top Ten der beliebtesten Insekten dürften Bienen ziemlich weit oben landen. Entsprechend groß ist das Interesse an ihrem Schutz. Die Vorstellung, das stark diskutierte Insektensterben könnte auch Majas populäre Verwandtschaft treffen, lässt viele aufhorchen. Das macht die Tiere zu idealen Botschafterinnen für den Naturschutz: Zahlreiche Initiativen und Organisationen werben inzwischen mit den gelbgestreiften Sympathieträgerinnen für mehr Blüten in der Stadt oder eine naturverträglichere Landnutzung. »Rettet die Bienen!« ist eben ein deutlich erfolgversprechenderer Slogan als etwa »Rettet die Mistkäfer!«.

Die Appelle verfangen so gut, dass viele Menschen auch ganz persönlich etwas für die Zukunft der summenden Blütenbesucherinnen tun wollen. Sie säen bienenfreundliche Blumenmischungen in ihren Garten, hängen so genannte Bienenhotels auf oder halten gleich ein ganzes Bienenvolk auf ihrem Balkon. »Seit gut zehn Jahren erleben solche Maßnahmen europaweit einen regelrechten Boom«, sagt Bienenexpertin Sabrina Gurten von der Universität Innsbruck. Allerdings sei nicht jedes gut gemeinte Engagement auch gut gemacht. Ihrer Erfahrung nach fehlt es oft an Wissen, damit die Bemühungen den geflügelten Adressatinnen auch wirklich nützen können.

Der Siegeszug der Honigbienen

Die Schwierigkeiten fangen schon damit an, dass Biene nicht gleich Biene ist. Weltweit gibt es mindestens 20 000 Arten von Wildbienen mit jeweils eigenen Ansprüchen. Doch diese Vielfalt fliegt weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. »Wenn es um die Rettung von Bienen geht, haben viele Menschen erst einmal nur die bekannten Honigbienen auf dem Schirm«, sagt Sabrina Gurten.

Die haben es gerade einmal auf ein Dutzend Arten gebracht, von denen die Westliche Honigbiene Apis mellifera die häufigste und bekannteste ist. Und genau diese domestizierte Art steht oft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Viele Städte werben inzwischen mit den fleißigen Völkern, die häufig an prominenten Standorten eine Heimat gefunden haben. In Berlin zum Beispiel leben seit 2011 rund 30 000 Honigbienen auf dem Dach des Abgeordnetenhauses, weitere Kolleginnen summen um das Jagdschloss Grunewald, den Berliner Dom oder das Haus der Kulturen der Welt.

Betreut werden diese Völker von erfahrenen Imkern. »Es gibt aber auch zahlreiche Hobbyhalter, die sich einen Bienenstock in den Garten oder auf den Balkon stellen«, sagt der Stadtökologe Ingo Kowarik von der Technischen Universität (TU) Berlin. Entsprechend stark hat die Zahl der Stadtbienen zugenommen. Und das gilt keineswegs nur für Berlin. Auch Paris, London und New York summen vor Honigbienen.

Wie rasch die Zahlen ansteigen können, haben Joan Casanelles-Abella und Marco Moretti von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in 14 Städten in der Schweiz dokumentiert. Dort wurden 2012 im Schnitt gut sechs Kolonien pro Quadratmeter gehalten. Sechs Jahre später waren es schon mehr als acht.

Ein einziges dieser Völker aber kann im Sommer aus mehr als 50 000 Tieren bestehen – und einen entsprechenden Appetit entwickeln. Wie groß der ungefähr ist, hat das WSL-Team mit Computermodellen berechnet. Demnach reicht das Angebot an Pollen und Nektar in den untersuchten Schweizer Städten nicht aus, um so viele Honigbienen zu ernähren. Und was ist eigentlich mit ihrer wilden Verwandtschaft? Besteht die Gefahr, dass sie durch den Boom der städtischen Bienenhaltung noch weiter in Bedrängnis gerät? Genau diese Befürchtung steht bereits im Raum.

Konkurrenz und Krankheiten

Denn anders als Honigbienen sind ihre wilden Verwandten seit den 1990er Jahren auf dem Rückzug. Der Verlust von Lebensräumen, eine zu intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden und auch der Klimawandel haben ihnen das Leben vielerorts schwer gemacht. In dieser Situation finden sie in Städten noch vergleichsweise gute Bedingungen. Denn in Grünanlagen, in Gärten und auf Balkons wird nicht nur weniger gespritzt. Sie bieten auch das ganze Jahr über ein vergleichsweise vielfältiges Angebot an Blüten. »Städte sind für Wildbienen deshalb sehr wichtige Rückzugsräume«, sagt Ingo Kowarik. »Dort lebt eine große Vielfalt dieser Tiere.«

Zahlenmäßig sind die Honigbienen allerdings bei Weitem in der Mehrheit. Und damit könnten sie ihre wilde Verwandtschaft gleich aus mehreren Gründen in Schwierigkeiten bringen. »Wenn sehr viele Insekten dieselben Blüten besuchen, können zum einen besonders leicht Infektionskrankheiten übertragen werden«, erklärt Sabrina Gurten. Die gemeinsame Futterquelle ist dabei ein Pool für Viren, Bakterien und andere Erreger, die meist von den domestizierten Tieren auf die Wildbienen übergehen. Nur selten ist es umgekehrt.

»Städte sind für Wildbienen sehr wichtige Rückzugsräume«Ingo Kowarik, Ökologe

Das zweite mögliche Problem ist die wachsende Konkurrenz: Fressen Honigbienen den Wildbienen den lebenswichtigen Pollen und Nektar weg? Auch dafür gibt es Verdachtsmomente. Interessant ist etwa eine Untersuchung aus Kanada. 2012 und 2013 gab es dort eine große Bestandsaufnahme der Wildbienen in der Millionenstadt Montreal. Das erwies sich später als Glücksfall. Denn in den Jahren danach erlebte die Stadt einen ungeahnten Aufschwung der Honigbienenhaltung. Nach Angaben des kanadischen Umweltministeriums hatten 2013 in Montreal noch 238 Kolonien der summenden Haustiere gelebt. Sieben Jahre später waren es fast 3000.

Ein Team um Gail MacInnis von der örtlichen Concordia University hatte so die Chance, die Situation vor und nach diesem Boom zu vergleichen. Demnach scheint sich der Vormarsch der Honigbienen tatsächlich negativ auf das Pollenangebot und den Artenreichtum der Wildbienen ausgewirkt zu haben. Bei kleinen Arten war dieser Zusammenhang besonders deutlich. Das liegt nach Einschätzung der Gruppe wohl daran, dass diese Tiere nicht so weit fliegen können. Wenn ihnen die stärkere Konkurrenz in ihrem Umfeld alles wegfrisst, können sie daher kaum in alternative Gebiete ausweichen.

In anderen Städten gibt es ebenfalls Hinweise darauf, dass Wildbienen Probleme mit zu vielen Honigbienen in ihrer Nachbarschaft haben. Ein Team um Lise Ropars vom Forschungsinstitut IMBE in Marseille hat zum Beispiel die Situation der Insekten in Paris unter die Lupe genommen. Dort gab es 2015 insgesamt 687 Kolonien von Honigbienen, das waren im Schnitt 6,5 Völker pro Quadratkilometer. Allerdings verteilten sich die Bienenstöcke nicht gleichmäßig über die französische Hauptstadt – und das hatte offenbar Folgen: Waren in ihrer Nachbarschaft mehr Honigbienen unterwegs, statteten die großen Wildbienenarten den Blüten weniger Besuche ab.

»In Berlin konnten wir solche Effekte allerdings bisher nicht nachweisen«, berichtet Ingo Kowarik. Und auch in anderen Städten zeichnen die Untersuchungen kein klares Bild. Ob die Honigbienen ihre wilden Verwandten tatsächlich verdrängen, ist daher nach wie vor umstritten. Zumal der Beweis dafür schwer zu führen ist. »Selbst wenn die Honigbienen zunehmen und die Wildbienen seltener werden, muss das nicht unbedingt an einer direkten Konkurrenz liegen«, erläutert Kowarik. Es könnte auch einfach sein, dass Erstere besser mit einem knappen Blütenangebot klarkommen. Schließlich sind sie in Sachen Nahrung nicht sonderlich wählerisch: Wenn eine Sorte Blüten ausfällt, weichen Honigbienen einfach auf eine andere aus. Wildbienen dagegen haben sich oft auf ganz bestimmte Pflanzenarten spezialisiert. Wo die nicht mehr im Angebot sind, müssen sie den Rückzug antreten – egal, wer sonst noch durch ihre Nachbarschaft surrt.

Die Bestäubungsspezialistinnen

»Genau diese Spezialisierung macht die Wildbienen zu besonders effizienten Bestäuberinnen«, sagt Sabrina Gurten. Über Jahrtausende der Evolution haben sich Blüten und Insekten so aufeinander eingestellt, dass sie wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen. Deshalb plädiert die Biologin dafür, eine möglichst große Bandbreite an fliegenden Blütenbesuchern zu erhalten: »Es braucht große, kleine, dicke, dünne, gezüchtete und wilde Insekten, um die Vielfalt an Pflanzen zu bestäuben.«

Die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornuta zum Beispiel hat ein besonderes Faible für Apfelbäume. Sie fliegt mit Vorliebe in die Obstplantagen, verlässt diese kaum und arbeitet dort extrem schnell. Zudem transportiert sie auch noch besonders viel Pollen. Einige hundert Weibchen dieser Art genügen daher, um einen Hektar Apfelbäume zu bestäuben. Für die gleiche Leistung bräuchten Honigbienen etliche zehntausend Arbeiterinnen.

»Wenn die Wildbienen verschwinden, können Honigbienen sie nicht ersetzen«Ingo Kowarik, Ökologe

Auch für Kartoffeln, Tomaten und Auberginen sind Honigbienen keine besonders guten Bestäuberinnen. Denn deren Blüten brauchen das laute, vibrierende Brummen von Hummeln, um ihre Pollen freizusetzen. Bei etlichen Kürbissen dagegen ist die Uhrzeit der Knackpunkt. Wenn die Pflanzen früh am Morgen ihre Blüten öffnen, sind die Honigbienen noch gar nicht aktiv. Die in Mittel- und Südamerika heimischen Kürbisbienen dagegen sind echte Frühaufsteherinnen und können den Bestäubungsjob daher perfekt erledigen. »Wenn die Wildbienen verschwinden, können Honigbienen sie also nicht ersetzen«, sagt Ingo Kowarik. Das gelte für die Landwirtschaft ebenso wie für naturnahe Lebensräume. Oder für Städte.

Trotzdem hält es der Ökologe nicht für sinnvoll, die urbane Bienenhaltung vorsichtshalber zu verbieten, um den Wildbienen eventuelle Konkurrenz zu ersparen. Trotz möglicher Probleme könne das inzwischen so populäre Freizeitvergnügen schließlich auch positive Folgen haben. So bietet es Naturerlebnisse für Stadtmenschen und hilft, Wissen über ökologische Zusammenhänge zu vermitteln. »Wer sich mit Imkerei beschäftigt, hat oft ein ganz anderes Verhältnis zur Natur als Menschen mit anderen Hobbys«, sagt der Forscher. »Das wissen wir aus zahlreichen Studien.«

Oft unterstützten die Bienenfans wichtige Naturschutzmaßnahmen und seien zudem offen für mehr insektenfreundliche »Unordnung« in Gärten und auf Grünflächen. »Dieses Engagement sollte man nutzen«, findet Kowarik »Wenn wir beispielsweise mehr Blütenangebot in den Städten schaffen, können davon ja sowohl Wild- als auch Honigbienen profitieren.«

»Viele Menschen, die sich spontan ein Volk auf den Balkon stellen, wissen darüber einfach nicht genug«Sabrina Gurten, Biologin

Auch Sabrina Gurten hält es grundsätzlich für möglich, den Schutz von Wildbienen und das Halten von Honigbienen in Städten unter einen Hut zu bringen. Aus ihrer Sicht ist dazu allerdings eine bessere Regelung der Bienenhaltung nötig. Helfen könne beispielsweise ein verpflichtender Kurs, in dem sich Hobbyhalter über Bienengesundheit informieren müssen. »Viele Menschen, die sich spontan ein Volk auf den Balkon stellen, wissen darüber einfach nicht genug«, sagt die Biologin. »So werden leicht Krankheiten verteilt, die sowohl die Wildbienen als auch die professionell gehaltenen Honigbienen-Völker gefährden.« Zudem plädiert sie dafür, dass Halterinnen und Halter auch Nahrung für ihre Völker zur Verfügung stellen müssen. Und wenn Stadtverwaltungen besser wüssten, wo wie viele Kolonien leben, könne man die summenden Bewohnerinnen vielleicht auch besser verteilen.

Einchecken im Hotel

»Um etwas für Bestäuber zu tun, gibt es allerdings viel effektivere Möglichkeiten, als sich ein Bienenvolk anzuschaffen«, betont Sabrina Gurten. Die Lebensbedingungen für Wildbienen zu verbessern, ist aus ihrer Sicht der deutlich bessere Ansatz. Allerdings sind die Insekten recht anspruchsvolle Nachbarn, die gar nicht so leicht zufriedenzustellen sind. Ein guter Lebensraum muss für sie nicht nur genug Nahrung bieten, sondern auch Nistmaterial und Kinderstuben – und das alles auf kleinstem Raum: Während Honigbienen durchaus zwei Kilometer bis zu einem guten Futterplatz fliegen, sind ihre wilden Verwandten je nach Art nur in einem Radius von 50 bis 200 Metern unterwegs. Wenn sie dort nicht alles Nötige vorfinden, können sie nicht überleben. Doch für etliche Arten kann ein Garten und selbst ein Balkon durchaus zu einer attraktiven Bleibe werden.

So genannte Bienenhotels, die verschiedene Nistmaterialien in einem Holzrahmen vereinen, sehen viele Fachleute allerdings kritisch. Einige sprechen in diesem Zusammenhang sogar von »Beewashing«. Analog zum bekannten »Greenwashing« sind damit Maßnahmen gemeint, die angeblich dem Bienenschutz dienen sollen, die aber entweder schlecht umgesetzt werden oder für deren Wirksamkeit es keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt.

Erfunden haben den Begriff zwei Biologen von der University of Toronto. 2015 sind Scott MacIvor und Laurence Packer der Frage nachgegangen, ob Bienenhotels geeignete Werkzeuge für den Schutz heimischer Wildbienen sind. Dazu hat das Duo drei Jahre lang die Bewohnerinnen von 200 solcher Nisthilfen in Kanadas größter Stadt Toronto untersucht. Das Ergebnis war nicht sonderlich ermutigend. Denn erstens scheinen von der gut gemeinten Unterstützung dort eher die Wespen als die Bienen zu profitieren. Und zweitens hatten innerhalb der Bienen eher die eingeführten Arten die Rüssel vorn. Sie waren beispielsweise seltener von Parasiten befallen und setzten zum Teil auch mehr weiblichen Nachwuchs in die Welt als die heimischen Hotelbewohnerinnen. Man brauche mehr Studien über die Auswirkungen der Nisthilfen auf heimische Arten, so das Fazit der Untersuchung. Nur dann könne man die Hotels so gestalten, dass sie tatsächlich positive Effekte haben.

»Ich kann viele der Bienenhotels nicht empfehlen, weil sie einfach schlecht konstruiert sind«Sabrina Gurten, Biologin

Am Design scheint es bei vielen dieser Hilfsangebote tatsächlich noch zu hapern. »Für die Umweltbildung ist das Aufhängen solcher Nisthilfen eigentlich eine gute Idee«, findet Sabrina Gurten. Kinder und Erwachsene könnten so spannende Beobachtungen machen und sich davon überzeugen, dass Bienen keineswegs aggressive und stechwütige Gefahrenquellen sind. »Trotzdem kann ich viele dieser Bienenhotels nicht empfehlen, weil sie einfach schlecht konstruiert sind«, sagt die Forscherin. Falsch gebaute Exemplare könnten mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.

Der Biologe Paul Westrich zeigt auf seiner Website häufige Fehler und erklärt, wie sie sich vermeiden lassen. Und auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) gibt Tipps, wie man die Nisthilfen richtig auswählt oder selbst baut.

Fehler bei der Einrichtung

Besonders kritisch sind demnach Modelle, bei denen Glasröhrchen das Beobachten der Aktivitäten im Inneren des Hotels ermöglichen. Denn dieses Material lässt keinen Wasserdampf durch, so dass sich darin Feuchtigkeit ansammelt. Deshalb werden die Röhrchen oft zu einer Brutstätte für Pilze und damit zur Todesfalle für den Bienennachwuchs.

Auch bei den im Hotel angebotenen Nistmaterialien kann man einiges falsch machen. Holzstücke mit hineingebohrten Löchern zum Beispiel sind für einige Wildbienenarten zwar durchaus attraktiv. Vor allem, wenn sie aus Esche oder anderen Laubhölzern bestehen. »Man sollte aber von der Seite ins Holz bohren und nicht in die Schnittfläche mit den Jahrringen«, erklärt Sabrina Gurten. Sonst entstehen leicht Risse, in denen oft Parasiten, Pilze oder Räuber lauern. Zudem können sich die Bienen die empfindlichen Flügel an Splittern verletzen, wenn sie dort hineinfliegen. Darüber hinaus sollten die verwendeten Holzstücke nicht zu flach sein. Denn um ihre Brut vor hungrigen Vogelschnäbeln zu schützen, nutzen viele Wildbienen einen Trick: Die ersten Zellen am Eingang der Kinderstube lassen sie leer. Diese Sicherheitsmaßnahme aber funktioniert nur bei ausreichend Platz. 20 Zentimeter sollte das Loch daher mindestens ins Innere des Holzes reichen.

»Mit Holzwolle oder Zapfen können Bienen dagegen überhaupt nichts anfangen«, sagt Sabrina Gurten. Umso attraktiver seien solche Angebote aber für Räuber wie Wespen und Spinnen. »Gerade in großen Hotels warten die manchmal regelrecht auf Bienen und fressen deren Brut«, berichtet die Biologin. Besser sei es daher, nicht alle Nistangebote an einem Ort zu konzentrieren, sondern lieber mehrere Elemente im Garten oder auf dem Balkon zu verteilen. Diese sollten in Richtung Süden, Südosten oder Südwesten an sonnigen, regen- und windgeschützten Stellen installiert werden – und am besten mehrere Jahre lang auch über den Winter dort bleiben.

»Man muss sich darüber klar sein, dass auch gut konstruierte Hotels nur wenige Wildbienen erreichen«Sabrina Gurten, Biologin

»Man muss sich aber darüber klar sein, dass auch gut konstruierte Hotels nur wenige Wildbienen erreichen«, sagt Gurten. Etwa zehn Arten mit eher breit gefächerten Vorlieben nehmen solche Angebote an, die häufigsten davon sind die Gehörnte und die Rostrote Mauerbiene. Insgesamt aber leben in Mitteleuropa zwischen 600 und 750 Wildbienenarten, von denen die meisten im Boden nisten oder andere Kinderstuben bevorzugen. Ein Bienenhotel hat für sie keinerlei Reiz. Doch auch sie kann man mit geeigneten Angeboten in den eigenen Garten locken.

»Sehr wertvolle Nistplätze sind zum Beispiel sandige Stellen, die in der Sonne liegen«, sagt Ingo Kowarik. Auch mit feuchtem Lehm oder mit Abbruchkanten an Wegen, mit Steinen, Trockenmauern oder morschem Holz können etliche Arten etwas anfangen. Und wer Brombeerranken oder abgestorbene Pflanzenstängel den Winter über stehen lässt, bietet ebenfalls wertvolle Ressourcen. Denn es gibt viele Wildbienen, deren Nachwuchs sich darin entwickelt und dann in Frühjahr schlüpft. »Am besten ist es, wenn man eine möglichst große Vielfalt von solchen Strukturen schafft«, sagt der Ökologe.

Restaurants für Bienen

Auch das nützt aber nichts ohne das passende Blütenangebot. In einem bienenfreundlichen Garten sollte es vom Frühling bis zum Herbst ein möglichst reichhaltiges Pollen- und Nektarbüfett geben. Und das zu schaffen, muss nicht einmal viel Arbeit machen. »Wer seltener den Rasen mäht, damit Gänseblümchen, Löwenzahn und andere Wildpflanzen zur Blüte kommen, hat schon etwas gewonnen«, erklärt Ingo Kowarik.

Auch Bienenrestaurants gezielt anzupflanzen oder auszusäen, hält er für eine gute Idee. Wichtig sei dabei die richtige Auswahl der Pflanzen. Empfehlungen haben er und sein Team für die Berliner Bienenstrategie zusammengestellt, die sowohl Wild- als auch Honigbienen in der Hauptstadt fördern soll. »Fachleute haben dazu die Ansprüche verschiedener Bienengruppen analysiert und dann geschaut, welche der bevorzugten Pflanzenarten in Städten gedeihen«, sagt der Ökologe. »Schließlich wollten wir dafür sorgen, dass auch für Arten mit gehobenen Ansprüchen etwas dabei ist.« Glockenblumen zum Beispiel seien für viele Spezialisten interessant. Das Gleiche gelte auch für Lippenblütler wie Salbei und Lavendel.

Wie effektiv eine solche Unterstützung sein kann, zeigt eine Studie in Schweden. Im Rahmen eines Bürgerwissenschaftsprojekts namens »Operation: Rettet die Bienen« hat sich dort gezeigt, dass blütenreiche Privatgärten tatsächlich wichtige Lebensräume für wilde Bestäuber werden können – vor allem, wenn das Engagement für die fliegenden Blütenbesucher über Jahre hinweg andauert.

Auch Ingo Kowarik ermutigt alle Bienenfans, ihre Gärten möglichst naturnah zu gestalten und zu bewirtschaften. Auf Pestizide zu verzichten und einen kurz geschorenen Rasen in eine seltener gemähte Wiese zu verwandeln, sei immer eine gute Idee. Größere öffentliche Grünflächen solle man am besten streifenweise mähen, so dass den Tieren auch nach dem Schnitt und über den Winter Rückzugsräume bleiben. Das alles sei nicht nur im Interesse der Bienen, betont der Forscher. Die populären Insekten sind für ihn ein Flaggschiff, in dessen Schlepptau zahlreiche weitere Arten von Tieren und Pflanzen segeln: »Mit ihrer Hilfe können wir positive Effekte für die biologische Vielfalt der Städte insgesamt erreichen.«

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